Versuch FPI-9

 

Komplexer Brechungsindex (Ellipsometrie)

 

Diese Kurzanleitung (Druckversion) weist Sie in den Versuch ein und beinhaltet alle für eine erfolgreiche Vorbereitung und Durchführung erforderlichen Informationen. Bitte informieren Sie sich weitestgehend "online" und lassen Sie sich nur die wichtigsten Schlüsselinformationen als gemeinsames Examplar für die Praktikumsgruppe ausdrucken.

 

1. Hintergrund und Zielsetzung des Versuchs

Dieser modular aufgebaute optische Meßplatz dient der Bestimmung der winkel- und polarisationsabhängigen Reflektivität von Oberflächen optischer Güte. Wird für eine feste Wellenlänge (hier: Diodenlaser bei l=670 nm) das Verhältnis des Reflektionskoeffizienten von parallel in der Einfallsebene polarisiertem Licht Rp zu dem Wert für senkrecht polarisiertes Licht Rs bei mindestens zwei Einfallswinkeln gemessen, kann daraus der komplexe Brechungsindex bestimmt werden ("Rp/Rs"-Methode).

Die Messung der Polarisationsrichtungen von Licht, das von einer Festkörperoberfläche (Metall oder Halbleiter) reflektiert wird, dient z. B. in der Halbleiterindustrie zur Bestimmung von optischen Konstanten und/oder Schichtdicken dünner Filme. Dieser Versuch soll mit der dafür benötigten Lasermeßtechnik vertraut machen. Die optischen Eigenschaften unterschiedlicher Festkörper werden untersucht, und die Fresnel´schen Formeln werden verifiziert.

Der Versuch stammt aus einem Meßaufbau, der an den Universitäten Köln und Konstanz zur Bestimmung der komplexen optischen Konstanten von Metallen und Halbleitern zur Materialcharakterisierung eingesetzt wurde. Detaillierte Beschreibungen dieser Aufbauten finden sich in M. Barth: "Brillouinstreuung an zwischenvalenten Systemen", Diplomarbeit 1981, Universität zu Köln, und in B. Hillebrands: "Optische Leitfähigkeit von CePd3, YPd3 und PrPd3 und dielektrische Funktion von SmS", Diplomarbeit 1982, Universität zu Köln. B. Hillebrands hat für das von D. G. Avery entwickelte "Rp/Rs"-Verfahren (Proc. Phys. Soc. 65B, 425 (1952)) einen numerischen Algorithmus entwickelt, der eine zuverlässige Berechnung des komplexen Brechungsindex n+ik aus den gemessenen Reflektionskoeffizienten für parallel und senkrecht polarisiertes Licht bei verschiedenen Einfallswinkeln ermöglicht. Diese Software steht Ihnen für die Auswertung Ihrer Meßergebnisse zur Verfügung.

 

2. Vorkenntnisse

Welleneigenschaften von Licht: Beugung und Interferenz, Polarisation, Fresnel´sche Formeln. Wechselwirkung von Licht mit Materie, komplexer Brechungsindex, Dispersion und Absorption, inelastische Lichtstreuung, optische Anregung in Festkörpern, Funktionsweise eines Lasers, Detektion von Licht.

 

3. Literatur

3.1 Diese Versuchsanleitung gibt nur eine knappe Einführung in diesen Themenbereich. Darin enthalten sind ein kurzer Auszug der Diplomarbeit von B. Hillebrands sowie Diagramme zur Bestimmung des komplexen Brechungsindex' aus dem Reflektionsverhältnis Rp/Rs (vgl. Abbildung).

Abbildung: Beispiel zur Bestimmung des komplexen Brechungsindex' n+ik aus der Messung des Reflexionsverhältnisses Rp/Rs bei zwei verschiedenen Einfallswinkeln. 

Zum weiterführenden Studium wird generell empfohlen:

3.2 W. Macke: "Lehrbuch der theoretischen Physik" (73 UAP 4564)

3.3 G. Eder: "Elektrodynamik" (61 UEB 1198)

3.45 M. Born and E. Wolf: "Principles of Optics" (73 UGH 1081, 75 UGH 1081)

3.5 R. W. Ditchburn: "Light" (73 UGH 1497)

3.67 L. Bergmann und C. Schaefer: "Lehrbuch der Experimentalphysik" (73 UAP 1605)

3.7 M. Born: "Optik" (73 UGH 1023)

3.8 W. Greiner: "Theoretische Physik, Bd.3: Klassische Elektrodynamik" (73 UAP 1760, 91 UAP 1760)

Zu Ellipsometrie und komplexem Brechungsindex:

3.9 C. Weißmantel und C. Hamann: "Grundlagen der Festkörperphysik" (72 UIM 3971, 91 UIM 3971)

3.10 L. Levi: "Applied Optics - A guide to optical system design" (73 UGL 1497)

3.11 R. M. A. Azzam and N. M. Bashara: "Ellipsometry and polarized light" (83 UGR 1065)

3.12 D. E. Aspnes: "Optical Characterization by Ellipsometry - A Prospective", J. Phys. (France) Coll. C10, suppl. 12, Tome 44 (1983), p. C10-3

Zum Nachschlagen:

3.13 CRC Handbook of Chemistry and Physics (74 STM 1139, 82 STM 1139)

3.14 Landolt-Börnstein: "Numerical data and functional relationships in science and technology", Gruppe 3, Bd 17 (72 STM 1024, 73 STM 1024)

3.15 A. J. Moses: "The Practising Scientist's Handbook" (72 STM 1545)

 

4. Versuchsaufbau

4.1 Verwendete Geräte

Der "Rp/Rs"-Aufbau ist auf einer Aluminium-Rasterplatte (750x500 mm2) montiert, die Erweiterungen oder Modifikationen des Meßaufbaus ermöglicht. Die Beleuchtungseinheit ist verschiebbar auf einer Profilschiene befestigt. Die mittlere Strahlhöhe beträgt 65 mm. Als Lichtquelle dient ein polarisierter Diodenlaser mit Netzgerät, der bei einer Wellenlänge von l=670 nm arbeitet (Ausgangsleistung < 1 mW, Strahldurchmesser ca. 3 mm, nahezu kreisförmig, Divergenz 0.5 mrad). Ein Folien-Polarisationsdreher ermöglicht eine beliebig einstellbare Richtung der Polarisationsebene bei gleichbleibender Intensität (innerhalb einer Genauigkeit von 2%). Das System Laser - Polarisationsdreher kann so abgeglichen werden, daß die kurzzeitigen Intensitätsschwankungen (einige Sekunden) für die Einstellungen 0O und 90O kleiner als 0.2% sind. Die Auslöschung (gemessen mit gekreuztem Analysator) ist besser als 0.1%. Eine justierbare Fokussierlinse mit einer Brennweite von ca. 100 mm ermöglicht Messungen an Proben, deren zu untersuchende Oberfläche kleiner als der Strahldurchmesser ist. Alternativ kann sie auch zum Fokussieren des reflektierten Lichts auf den Detektor verwendet werden. Die effektive Divergenz des fokussierten Lichts liegt bei 10 mrad (ca. 0.5O)! Der drehbare Prüflingshalter besteht aus einer in drei Achsen justierbaren vertikalen Fläche, auf die die Proben aufgeklebt werden. Dieser Justierhalter wird in einem Klemmhalter befestigt, der auf einen großen Drehtisch montiert ist. Letzterer ermöglicht Winkeleinstellungen mit einer Genauigkeit von 1.5 mrad (0.1O). Als Detektor zur Messung der reflektierten Intensität wird eine Silizium-Photodiode mit Meßverstärker (im Gehäuse integriert) verwendet. Bei DC-Messung mit einem DVM erhält man bei hochreflektierenden Proben Ausgangssignale bis ca. 1.5 V mit einer Auflösung von besser als 1 mV. Die Photodiode hat eine hohe Empfindlichkeit über einen weiten Bereich des sichtbaren Spektrums und ist deshalb mit einem Rotfilter bestückt. Während Streulicht von Glühlampen damit lediglich zu 50% abgeschwächt wird, reduziert sich der Einfluß von Leuchtstofflampen auf ca. 10%. Gegebenenfalls muß Streulicht durch geeignete Abdunklungen vermieden oder bei der Auswertung der Meßdaten berücksichtigt werden. Zur Datenaufnahme und Auswertung stehen Digitalmultimeter, Oszilloskop und PC zur Verfügung. Als Auswerteprogramm wird der Algorithmus von B. Hillebrands, Version 1993, empfohlen Es können aber auch die beigefügten Auswertediagramme für 75O/60O, 76O/60O und 80O/60O-Winkelkombinationen verwendet werden.

4.2 Vorbereitende Maßnahmen beim Aufbau

a. Inbetriebnahme, Justage: Schließen Sie den "shutter" des Lasers, der rote Schalter am Laser muß ausgerastet sein. Vor Anlegen von Spannung an die Steckernetzgeräte (Laser-Netzteil: 200 mA, Detektor-Netzteil: 250 mA) müssen diese mit dem Laser bzw. der Diode verbunden sein. Nach Einschalten der Spannung können Sie den Laser einschalten. Öffnen Sie den "shutter" erst, wenn sichergestellt ist, daß der Laser nicht in Bereiche außerhalb des Versuchsaufbaus strahlen kann. Verwenden Sie ggf. eine Strahlfalle! Nicht in den Strahl blicken! Das Diodensignal kann mit einem Oszilloskop oder einem DVM direkt am BNC-Ausgang des Detektors abgegriffen werden.

b. Überprüfen der Polarisationsebene: Bei der 90O-Stellung des Polarisationsdrehers muß die Polarisationsebene des Lichts in der Drehebene des Prüflinghalters liegen. Um dies zu überprüfen, verwenden Sie einen Prüfling mit geringer Absorption, z. B. ein ebenes Glas. Das montierte Glas wird so justiert, daß der Lichtstrahl in sich reflektiert wird. Dann wird durch Drehen des Drehtisches um den Brewsterwinkel (ca. 57.5O) und Einstellen der Polarisationsebene bei 90O das Reflexionsminimum gesucht. Im Minimum sollte die Skala des Polarisationsdrehers innerhalb von 0.5O bei 90O stehen. Falls eine Justage erforderlichist, kann das dem Laser abgewandte Filter nach Lösen der Madenschrauben verdreht werden.

c. Überprüfen der Laserintensität: Fokussieren Sie den Laser auf den Detektor. Nehmen Sie dazu den Prüflinghalter aus dem Klemmhalter heraus. Das Detektorsignal sollte über 1 V liegen. Falls eine Korrektur erforderlich ist, kann das dem Laser zugewandte Filter nach Entfernen der Abdeckschraube vorne am Polarisationsdreher und nach Lösen der darunterliegenden Fixierschraube so gedreht werden, daß der Detektor maximale Intensität anzeigt. Das Filter enthält neben dem Zirkular-Polarisator auch eine linear polarisierende Folie, um die Polarisationseigenschaften des Diodenlasers zu verbessern.

d. Polarisationsabhängige Lichtintensität: Messen Sie die Spannung am Detektor bei Polarisatorstellungen von 0O und 90O. Die Werte sollten innerhalb von 0.2%, zumindest aber 0.5%, übereinstimmen. Ist dies nicht der Fall, ermitteln Sie die Einstellung minimaler oder maximaler Intensität und bringen Sie diese durch gleichzeitiges Drehen von Laser und dem dem Laser zugewandten Filter auf ca. 45O. Danach maximieren Sie die Laserintensität wie oben beschrieben. Auf jeden Fall müssen abschließend die Intensitäten bei 0O und 90O überprüft werden.

4.3 Durchführung der Messungen

a. Prüflingsmontage: Befestigen Sie den Prüfling auf dem Justierhalter (aufkleben). Stellen Sie die Prüflingsebene so ein, daß bei Rotation des Drehtisches das Licht möglichst immer auf die gleiche Stelle trifft. Dies ist insbesondere bei großen Drehwinkeln zu kontrollieren. Verwenden Sie bei kleinen Prüflingsflächen die Fokussierlinse. Stellen Sie die Prüflingsneigung so ein, daß bei entsprechender Drehung des Drehtisches der Lichtstrahl in sich reflektiert wird.

b. Referenzwinkel: Zur Einstellung der Einfallswinkel muß zunächst die 0O-Einstellung (senkrechter Einfall) gefunden werden. Durch Zentrieren des in sich reflektierten Lichts, beobachtet auf Höhe des Polarisationsdrehers, kann dieser Referenzwinkel auf besser als 10 mrad (0.5O) festgestellt werden. Ist eine genauere Einstellung erforderlich, muß das Raumfilter verwendet werden (optional). Damit ist eine nahezu beugungsbegrenzte Einstellung möglich.

c. Reflexionsmessung: Stellen Sie den gewünschten Einfallswinkel durch Rotation des Drehtisches ein. Positionieren Sie den Detektor in den reflektierten Strahl. Das reflektierte Licht sollte dazu zentriert auf die quadratische Detektorfläche treffen. Nehmen Sie die Intensitätswerte für die 0O- und 90O-Polarisatorstellungen zügig auf. Ermitteln Sie den durch Streulicht bedingten Offset des Diodensignals durch Unterbrechen des Laserstrahls.

d. Auswertung: Ermitteln Sie unter Berücksichtigung der Offset-Spannungen und der polarisationsabhängigen Intensitätsverteilung für die verschiedenen Meßwinkel die Reflektionsverhältnisse Rp/Rs. Bestimmen Sie daraus mit Hilfe der beigefügten Diagramme den komplexen Brechungsindex (ggf. kann diese Auswertung mit Hilfe des PC-Programms vervollständigt bzw. überprüft werden). Da die Auswirkung der Meßfehler für unterschiedliche Werte des Brechungsindex stark variiert, ist eine ausführliche und kritische Fehlerbetrachtung vorzunehmen.

 

5. Meßprogramm

5.1 Nehmen Sie den Versuch wie in Kap. 4 beschrieben in Betrieb.

5.2 Ermitteln Sie zunächst den Real- und Imaginärteil n und k des Brechungsindex von Glas durch Reflexionsmessungen bei verschiedenen Winkeleinstellungen, um sich mit der Meßmethode vertraut zu machen.

5.3 Bestimmen Sie n und k bei verschiedenen Winkeleinstellungen für folgende Materialien: i. Metalle: Kupfer, ii. Halbleiter: Si-Einkristall und GaAs-Einkristall, iii. Isolatoren: MgO und LaAlO3.

5.4 Zur Auswertung steht Ihnen ein PC mit dem Programm "Rp/Rs" zur Verfügung. Verifizieren Sie damit die Fresnel´schen Formeln. Vergleichen Sie Ihre Ergebnisse mit Literaturwerten für die untersuchten Materialien. Diskutieren Sie das aus Ihren Ergebnissen ermittelte unterschiedliche Verhalten von Metallen, Halbleitern und Isolatoren.

 

6. Weiterführende Angaben

6.1 Zur Veranschaulichung der optischen Grundlagen kann das Programmpaket "Albert", das unter Windows läuft und auf dem Praktikums-PC installiert ist, nach Rücksprache mit dem Assistenten zu Rat gezogen werden.

6.2. Tips zur Messung: i. Wird mit mehr als zwei Einfallswinkeln gearbeitet, ist die Einstellung des Referenzwinkels unkritisch. ii. Es ist möglich, einen Referenzwinkel durch Einstellen des Brewsterwinkels für ein flaches Glas mit bekanntem Brechungsindex zu finden. Dies funktioniert allerdings nur, wenn die zu messende Prüflingsoberfläche parallel zur Glasoberfläche montiert werden kann (z. B. bei planparallelen Proben). iii. Theoretisch erhält man genauere Ergebnisse, wenn im parallelen Licht (also ohne Fokussierlinse vor dem Prüfling) gemessen wird. Praktisch begrenzt die durch die Fokussierlinse hervorgerufene Divergenz des beleuchtenden Lichts in der Grundversion des Versuchs aber nicht die Meßgenauigkeit. Vorteilhaft ist dagegen die durch die Linse mögliche Messung kleiner bis kleinster (Durchmesser 0.1 mm) Prüflingsflächen oder die Bündelung des Lichts zur Signalverbesserung. iv. Auf den Abgleich der polarisationsabhängigen Intensität kann verzichtet werden, wenn die Intensitätsverteilung separat gemessen und bei der Auswertung berücksichtigt wird.

6.3 Beachten Sie die mittels Verknüpfungen verfügbaren Informationen zur Auswertung sowie zu optischen Komponenten in Kap. 3 und 4. Weitere technische Information finden Sie in der Beschreibung des Versuchs FPI-3.