Die Werkzeuge der TeilchenphysikZur Untersuchung der kleinsten Materiebausteine werden sog. Streuexperimente durchgeführt. Das bedeutet, dass ein Teilchenstrahl auf das zu untersuchende Objekt (das sog. Target) gelenkt wird und die an ihm gestreuten Teilchen in einem Nachweisgerät (Detektor) gemessen werden. Zur Erzeugung der Teilchenstrahlen werden sog. Teilchenbeschleuniger eingesetzt. In vielen Experimenten werden diese Teilchenstrahlen statt auf ein ruhendes Ziel auch direkt aufeinander gelenkt. In solchen Experimenten ist der Strahl also zugleich Target. Beschleuniger: Die Mikroskope der TeilchenphysikerNormale Mikroskope arbeiten mit sichtbarem Licht, also mit Wellenlängen von einigen hundert Nanometern. Damit können zum Beispiel Kristalle von 10-6m untersucht werden. Grundsätzlich können mit einem Mikroskop keine Strukturen aufgelöst werden, die kleiner als die Wellenlänge der verwendeten Strahlung sind. Eine bessere Auflösung erfordert also kleinere Wellenlängen. Die Analyse von Atomen gelingt etwa, wenn man statt sichtbarem Licht Röntgenstrahlung verwendet. Statt kurzwelligerer Lichtstrahlung kann aber ebenso Strahlung aus Materieteilchen verwendet werden. Es ist eine Grundlage der Quantenphysik, dass Materie auch Welleneigenschaften besitzt. Dabei ist die Wellenlänge, die zum Beispiel einem Elektron zugeordnet werden kann umso kleiner, je größer sein Impuls (= Masse × Geschwindigkeit) ist. Für kleine Teilchenmassen muss zudem nicht zwischen Impuls und Energie unterschieden werden.
Aus diesem Grund bauen Teilchenphysiker Geräte, die Teilchenstrahlen auf immer höhere Energien beschleunigen können. Die Tabelle gibt an, welche Energie notwendig ist, um die jeweilige Auflösung zu erzielen. Um diese Energien zu erreichen, werden Elektronen oder Protonen durch elektrische Felder beschleunigt. Fast jeder von uns hat einen solchen Beschleuniger zu Hause: Ein Fernseher benutzt das gleiche Prinzip und beschleunigt Elektronen, die dann auf einen Bildschirm treffen und Licht erzeugen.
Um große Energien zu erreichen, werden viele Stufen elektrischer Beschleunigung benutzt. Am einfachsten kann das erreicht werden, wenn die Teilchen auf einer Kreisbahn immer die gleichen Stufen durchlaufen und so immer schneller werden. Der größte Beschleuniger steht in Genf und wird momentan von der Beschleunigung von Elektronen auf Protonen umgerüstet. Er hat einen Umfang von 26 km und soll Protonstöße mit einer Energie von 14 TeV liefern. Sein Name ist LHC (Large Hadron Collider), und die Wuppertaler Arbeitsgruppe ist am Bau einer der Detektoren für den LHC mitbeteiligt.
Die Grundidee dieser Streuexperimente kann dabei leicht illustriert werden. Die Situation ist vergleichbar mit dem Versuch, einen Gegenstand dadurch zu untersuchen, dass man ihn mit Bällen bewirft und aus der Art und Richtung der Reflexion der Bälle auf seine Form schließt. Die folgende Animation (auf die Abbildung klicken!) illustriert die Untersuchung eines Protons mit immer kurzwelligerer Strahlung. Tatsächlich hat die hohe Energie der Experimente in der Teilchenphysik aber eine doppelte Bedeutung: Sie entspricht nicht nur kleinen Wellenlängen für die möglichst genaue Analyse der Probe, sondern fungiert auch als "Energiequelle" für die Erzeugung (instabiler) Elementarteilchen. Gemäß der Beziehung E=mc2 kann sich Energie nämlich in Masse umwandeln. Die Existenz von Teilchen kann also verborgen bleiben, wenn deren Massen zu groß sind, um durch die heutigen Experimente erzeugt werden zu können. Umgekehrt erklärt sich daraus, warum die Suche nach neuer Physik eng mit dem Bau energiereicherer Beschleuniger zusammenhängt. So erhofft man sich vom LHC Lösungen für einige der Probleme des Standard Modells. Die Augen der TeilchenphysikerGenau so wichtig wie die Beschleuniger, sind aber offensichtlich die Detektoren, die messen, in welche Richtung die Teilchen abgelenkt wurden und welche Teilchen durch die Kollision neu entstanden sind. Zu Beginn der experimentellen Kern- und Teilchenphysik ab 1911 wurden dazu sog. Nebel- und Blasenkammern verwendet. In ihnen hinterlassen die Teilchen Spuren ähnlich wie Flugzeuge Kondensstreifen am Himmel. In einer Nebelkammer befindet sich zu diesem Zweck ein Gas-Dampf Gemisch, Blasenkammern werden mit einer Flüssigkeit nahe am Siedepunkt betrieben. Diese Teilchenspuren werden schließlich fotografiert. Die untere Abbildung zeigt eine solche Blasenkammeraufnahme zusammen mit ihrer Interpretation. Als Target in diesen Experimenten fungierte übrigens die Flüssigkeit der Blasenkammer.
Obwohl diese Technik für spezielle Anwendungen immer noch im Gebrauch ist, hat sie offensichtlich gravierende Nachteile. Zum Einen ist die Auswertung der Bilder äußerst aufwendig, zum Anderen kann der Experimentator nicht direkt Einfluss darauf nehmen, wann genau die Messung durchgeführt werden soll, da der Zustand der Überhitzung vor dem Teilchendurchgang erzeugt werden muss. Schließlich brauchen solche Detektoren relativ lange, bis sie nach einem Teilchendurchgang wieder aufnahmefähig sind. Die Entwicklung elektronischer NachweisgeräteAb den 40er Jahren wurden deshalb auch elektronische Nachweisverfahren entwickelt. Bei diesen wird keine fotografische Aufnahme der Teilchenspuren gemacht, sondern die Bahn der Teilchen aus den elektronischen Signalen rekonstruiert. Geladene Teilchen können etwa elektrische Signale in einem Gasvolumen erzeugen (Ionisation), die elektronisch ausgelesen werden können. Dieses Prinzip liegt Spurdetektoren zugrunde. Befindet sich der Detektor zudem in einem Magnetfeld, erlaubt die Messung der Spurkrümmung die Bestimmung des Teilchenimpulses. Diese Messung beeinträchtigt dabei die Teilcheneigenschaft kaum.
Neutrale Teilchen, wie etwa Neutronen, können auf diese Weise nicht nachgewiesen werden. Ihre Messung gelingt nur, wenn sie durch die Wechselwirkung mit dem Detektormaterial geladene Teilchen erzeugen. Das ursprüngliche Objekt geht dabei verloren. Aus der Anzahl der auf diese Weise entstandenen Teilchen kann auf die Energie des ursprünglichen Teilchens zurückgeschlossen werden. Nach diesem Prinzip arbeiten Detektoren zur Energiemessung (sog. Kalorimeter). Durch die Wahl geeigneter Materialien können diese auf den Nachweis bestimmter Teilchenarten spezialisiert werden. Die Animation (auf die Abbildung klicken!) illustriert die Arbeitsweise eines typischen Detektors an einem Beschleunigerexperiment. Die Wuppertaler Beteiligung am Atlas DetektorDie Wuppertaler Arbeitsgruppe ist am Bau des Atlas Detektors (Abb.) beteiligt, der am LHC (Large Hadron Collider) das Produkt von Proton-Proton Stößen messen wird. Die technischen Anforderungen sind hier enorm: Alle 0.000000025 Sekunden müssen die Teilchen nachgewiesen werden können, und ihr Ort muss mit einer Genauigkeit von 0.02mm vermessen werden. Dies erfordert modernste Elektronik und hochpräzise Geräte. Und nur um eine Vorstellung von der Größenordnung dieser Projekte zu geben: Der Atlas Detektor wird ca. 7000t wiegen, und an seiner Entwicklung sind ca. 2000 Physiker beteiligt.
Dieses Bild zeigt eine Schnittzeichnung des ATLAS Detektors. Man erkennt -farblich abgehoben- die vier wesentlichen Komponenten des Detektors: Den inneren Spurdetektor (in gelb) zur Impulsmessung von geladenen Teilchen, die Kalorimeter (in grün und orange) zur Messung der Teilchenenergie, das Muon System (in blau) zur Identifizierung von Muonen und zusammen mit dem Magnet System (grau) zur Messung ihrer Impulse.
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